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Untitled in white

Untitled in white
Untitled in white

Untitled in White, 2018
3 x 90 cm x 80 cm
Öl, Dispersion auf Baumwolle

In unserer sinnlichen Wahrnehmung ist Weiss im Grunde genommen keine Farbe. Sie ist viel mehr die Summe aller Farben, die Summe aller Wellenlängen des Lichtspektrums im sichtbaren Bereich. Wenn Licht aller Wellenlängen ins Auge fällt, entsteht ein weisser Eindruck. Im Auge werden alle farbsensitiven Sinneszellen aktiviert und daraus wird die Farbe Weiss abgeleitet. Dieser weisse Eindruck ist allerdings eine solch alltägliche Situation, dass wir, wenn wir Weiss sehen, nicht „weiss“ denken. Auch wenn dies widersprüchlich klingen mag, ist dies der Grund weshalb Weiss das Potential beinhaltet Dinge sichtbar zu machen.

In den Serien Untitled in White nutzt Philipp Ehgartner dieses Potential, um mit den Mitteln der Malerei Raum, Zeit, Bewegung und Struktur als Sinnesreiz und Materie erfahrbar zu machen. In dem er sich auf die Farbe Weiss reduziert, zeigt uns der Künstler zeitgleich die ihr immanente Vielfalt auf und schafft dadurch ein sinnliches Erlebnis. Wir erfahren eine Sensation im ursprünglichen Sinn des Wortes. Dies stellt für uns eine Chance dar, die Malerei in ihren Grundbegriffen zu erleben und somit auch über elementare Fragen nachzudenken: Wo beginnt ein Bild, wo endet es? Wo fängt die Wand an, wo der [Bild]Raum? Inwiefern ist die Struktur und Farbe der Leinwand Bestandteil des Bildes? Welche Rolle spielt der Zufall? Wie kann Zeit oder Prozess sichtbar gemacht werden? Es stellt sich aber auch die unausweichliche Frage inwiefern das Material selbst handlungsfähig ist?

Die Serie eröffnet den Rezipient/innen die Möglichkeit sich auf die Materialität von Leinwand, Papier, Acryl, Gouache, Öl und Lack, aber auch auf Prozesse wie Pinselstriche oder lichtbedingte Veränderungen in der Wahrnehmung des Materials in all ihren Nuancen und Schattierungen zu konzentrieren. Die spannungserzeugende, aber gleichzeitig ausgewogene Komposition, die aus den Relationen dieser materiellen Grundlagen entsteht, kann als eine Abkehr zur Rationalität, möglichst exakten Umsetzung und zielgerichteten Perfektion der früheren hyperrealistischen Malweise des Künstlers gelesen werden. Das interessante dabei ist, dass es die Praxis der Malerei selbst ist, mit deren Hilfe Ehgartner dem langen Schatten der Institution Malerei, bestehend aus Jargon, akademischen Zwängen aber auch marktbedingten Konventionen, zu entkommen versucht. Was ihn dabei von anderen unterscheidet ist, dass dabei die Auseinandersetzung mit dem Dispositiv der Malerei und seiner essentialistischen Aufladung nicht zu kurz kommt.

In der Freilegung seiner Herangehensweise wird einerseits das Medium als ephemerer Prozess und als sinnliche Manifestation für die Rezipient/innen direkt erfahrbar, andererseits wird aber auch auf jenen blinden Punkt verwiesen, der einen Stolperstein für eine kunsttheoretische Analyse darstellen könnte, die ihre Referenzen und Argumentationsketten nur aus einem kunsthistorischen Kontext bezieht. Obschon es in seiner Arbeit darum geht die rationale Kontrolle auszuschalten, um seine fundierten Kenntnisse der Materialien als reflektorische Handlungen auf die Leinwand zu übertragen, ist Ehgartner’s Denk- und Handlungsweise meilenweit von der naiven Vorstellung einer unverstellten Malerei und einer metaphysischen Ideologie des Authentischen und Ursprünglichen entfernt.

Eine nicht unwichtige Rolle spielt dabei, dass obwohl die Serie von drei Bildern Untitled in white einen neuen Anfang in Philipp Ehgartner’s Schaffen darstellt, dieser Anfang dagegen irgendwo in der Mitte beginnt. In der Mitte seines Schaffens. In der Mitte der Malerei. Ehgartner kennt die Gesetze welche die Malerei als Institution organisieren. Er hat jedoch beschlossen sich nicht auf diese Weise von ihnen regieren zu lassen. Seine Malerei ist eine Kritik an der Institution der Malerei mit den Mitteln der Malerei. Doch nur indem er eine gemeinsame Urheberschaft mit den Malgründen, Farbmitteln, Pigmenten, Bindemitteln, Malmitteln und dem Prozess eingeht, diese als konstituierende Faktoren anerkennt und reflektiert, kann er sich seinem Medium überlassen ohne dabei essentialistisch zu werden.

Seine Auseinandersetzung mit seiner Subjektivierung als Künstler bewirkt, dass er, auf der Suche nach Alternativen, seine Kenntnisse der Materialien, Technologien und Prozesse auf diverse andere Arten als bisher einsetzten kann. Eine Betonung liegt dabei auf der Analyse einer wechselseitigen Abhängigkeit von materiellen, zeitlichen und symbolischen Kräften beim Entstehen einer Malpraxis und ihrer Einbettung in einen Kanon. Da er diesen Faktoren ebenso eine Handlungsfähigkeit zugesteht, verhandelt er den Begriff der Autor/innenschaft aus einer Perspektive in der nicht mehr nur der Mensch als einziges handlungsfähiges Wesen im Zentrum einer künstlerischen Praxis stehen muss.

Jana Vanecek freischaffende Kunstpublizistin, Juni 2018, Zürich

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